Sie sind hier: Andacht der Woche  

51/2022
 

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht!

Lukas 2,8–10

Die Hirten, die Gewöhnlichen dürfen Jesus als Erste begegnen und ihn begrüßen. Ein Umstand, der sich durch sein ganzes Leben zieht. Statt bei denen Eindruck zu schinden, die gesellschaftlich über ihm stehen, macht er sich auf den Weg, um Menschen zu begegnen, die am Rand stehen. Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht dazugehören oder verachtet werden.

So spricht er mit der Frau, die um die Mittagszeit Wasser holt, um niemand anderem begegnen zu müssen. Er ruft Jünger in seine Nachfolge, die keine klassische Ausbildung haben und auch etwas rauer unterwegs sind. Er berührt die Unberührbare, begegnet den Unausstehlichen und öffnet ihnen damit die Tür, wieder dazuzugehören. Die Mission Jesu ist es, den Ausgeschlossenen zu vermitteln: Im Reich Gottes ist Platz für euch. Ihr seid willkommen. Und dies beginnt schon mit Jesu Geburt im Stall.

Szenenwechsel: Heiligabend in der Familie. Blendende Einmütigkeit, leckeres Essen, tolle Gespräche, Geschenke für jeden, alle sind glücklich. Doch der schöne Schein trügt, weil er verdeckt, wie hart bis dahin diskutiert wurde: Sollten wir die nervige Schwiegermutter einladen, die alles besser weiß und in den Schränken schnüffelt? Wie ist es mit dem frisch geschiedenen Nachbarn, der einsam zu Hause sitzt, aber gerade so unglaublich anstrengend ist? Was machen wir mit der psychisch Kranken aus der Kirchengemeinde, die mit ihrer Art unsere gewohnte Welt im wahrsten Sinne des Wortes verrückt? Können wir nicht
wenigstens an Weihnachten mal alles Störende abschalten und in unserem kleinen Kreis Ruhe und Frieden genießen?

Es ist doch absurd, dass wir unser Weihnachtsfest häufig so gestalten, dass Menschen, die am Rande stehen, oft auch genau dort stehen gelassen werden, einfach weil sie unseren Wunsch nach Ruhe, Harmonie und Ordnung stören. Die Geschichte der Geburt Jesu zeigt uns jedoch ein Stück von Gottes Willen: Bei ihm werden Menschen nicht bewertet oder kategorisiert in arm, reich, intelligent, anständig und so weiter. Bei ihm ist jeder gleich wertvoll und wichtig. Jeder steht in seinem Mittelpunkt.

Jessica Schultka


© Advent-Verlag Lüneburg



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