Sie sind hier: Andacht der Woche  

34/2022
 

Denn das ganze Gesetz lässt sich in dem einen Wort zusammenfassen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Doch wenn ihr euch ständig zankt und übervorteilt, statt einander mit Liebe zu begegnen, dann passt auf, denn sonst vernichtet ihr euch noch gegenseitig.

Galater 5,14–15 (Neues Leben Bibel)

Kennt ihr das auch? Es gibt Personen, die einfach nur nerven. Sie sind anstrengend, gefühlt immer dagegen und es fällt schwer, sie zu (er-)tragen. Früher habe ich mich richtig unter Druck gesetzt und gedacht: Du musst mit jedem Menschen klarkommen! Dann hatte ich auf einer Frauentagung ein Schlüsselerlebnis. Der Sprecher sprach über die „Liebe auf Distanz“. Zuerst fragte ich mich, wie das denn funktionieren soll. Aber dann kam die Erklärung: Wir tun uns und dem anderen keinen Gefallen, wenn wir uns immer in Konfliktsituationen bringen, die Faust in der Tasche ballen oder aggressiv werden. Es ist für uns beide gut, wenn wir einander wahrnehmen und kurz begrüßen, aber dann unserer Wege gehen. So verstehe ich auch den Galatertext als Warnung, es nicht so weit kommen zu lassen, sich zu tief zu verletzen. Und was wir auf keinen Fall vergessen sollen, ist für den anderen zu beten. In Vers 16 heißt es: „Lasst euer Leben von Gottes Geist bestimmen.“ (Hfa) Ich habe es ausprobiert und es hat funktioniert. Mit einer Frau konnte ich nachher sogar normal sprechen, auch wenn wir keine Freundinnen geworden sind.

Aber dann gibt es Personen, mit denen wir verwandt sind, die uns etwa bei Familienfeiern immer wieder über den Weg laufen. Auch hier habe ich erfahren, dass Gott uns die Kraft geben kann, auf die andere Person zuzugehen. Mich zu entschuldigen, auch wenn ich mir keiner Schuld bewusst bin. Ich verstehe Gott so, dass es keine Schwäche ist, wenn man den ersten Schritt auf den anderen zugeht, sondern dass es von innerer Stärke und Gottvertrauen zeugt. So kann es passieren, dass es zu einem offenen Gespräch kommt, Missverständnisse geklärt und alte Fehden begraben werden.

Ich weiß, das sind Idealfälle und im Leben läuft nicht alles glatt. Aber wenn wir es gar nicht erst versuchen, verpassen wir womöglich eine Chance für einen friedlichen Umgang miteinander – im Sinne von Liebe auf Distanz.

Gabi Waldschmidt


© Advent-Verlag Lüneburg



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