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32/2022
 

Während er sprach, brachten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herein, die sie beim Ehebruch ertappt hatten. Sie stellten sie in die Mitte. „Meister“, sagten sie zu Jesus, „diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden. Nach dem Gesetz Moses muss sie gesteinigt werden. Was sagst du dazu?“ Damit wollten sie ihn zu einer Aussage verleiten, die sie gegen ihn verwenden konnten. Doch Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger in den Staub.

Johannes 8,3–6 (Neues Leben Bibel)

Die Luft brannte. Jesus lehrte schon morgens im Tempel, da brachten die Pharisäer eine Frau und stellten sie in die Mitte. Unter sicher beträchtlichem Aufwand hatten sie sie ertappt. Aber es ging gar nicht um sie, sondern um Jesus. Und wo war der Mann, den sie auch hätten mitbringen müssen? Wenn der Nazarener so heilig war, wie er vorgab, dann musste er doch jetzt das Gesetz Moses erfüllen und nach den Steinen greifen. Nun hatten sie ihn in der Falle. Doch dann schreibt Jesus in den Staub.

Die Spannung zwischen Jesus und den Pharisäern war heftig. Die Pharisäer bekämpften Jesus als „Konkurrenz“ und versuchten, ihn anzuklagen und ihn durch seinen Tod zu beseitigen. Jesus dagegen lehrte ein wahrheitsgemäßes Verständnis des Wortes Gottes. Er nannte die Pharisäer böse, unbrauchbar, ehebrecherisch (Mt 16,4), Heuchler, Schlangen und Otterngezücht (Mt 23,13.33) und Mörder (Lk 11,47–48; Joh 8,44). Können wir uns vorstellen, was Jesus in dieser Situation in den Staub schrieb? Es führte dazu, dass sich die Ankläger still entfernten. Sie sind diejenigen, von denen wir vorbildhaftes Verhalten erwarten dürften,
doch hier? Jesus schrieb in den Staub und meißelte nicht etwa ihre Sünden in Stein. Er deutete damit Sündenvergebung für alle Anwesenden an. Bezeichnend ist, dass sich bis heute nichts geändert hat. Für jede Figur oder Gruppe in der Geschichte gäbe es eine heutige Entsprechung.

Als nach der Himmelfahrt Jesu und der Ausgießung des Heiligen Geistes die Urgemeinde wuchs, wird uns berichtet, dass sich auch viele Priester dem Glauben anschlossen (Apg 6,7). Wir dürfen sicher sein, auch Pharisäer waren unter ihnen; zu ihnen zählte zum Beispiel Paulus (Apg 23,6). Jesus schlägt die Türen nicht zu. Er hält sie offen für alle, die den Wunsch nach Vergebung haben. Das dürfen wir immer vor Augen haben.

Eberhard Schulze


© Advent-Verlag Lüneburg



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