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14/2022
 

Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.


Johannes 14,6
Eigentlich war ich mein ganzes Christenleben lang eine ziemlich treue Seele. Glaubenszweifel waren mir fremd, und meinen theologischen Standpunkt konnte ich durchaus nachvollziehbar begründen. Dafür gab es jede Menge ärgerlicher Jesusworte, die mir zu schaffen machten, und Johannes 14,6 stand in dieser Liste unangefochten auf Platz eins. Keine Frage, mir war sehr wohl bewusst, dass es mir nicht zustand, den Erlöser höchstpersönlich zu kritisieren. Aber musste er denn wirklich so absolut formulieren und einen derart unumstößlichen Anspruch erheben?

Richtig, genau dieser Absolutheitsanspruch ist es, der bis heute auch gläubigen Menschen Probleme bereitet und manchen davon abhält, diesem Jesus sein Leben anzuvertrauen. Da kann dann schnell eine echte innere Blockade entstehen, die sich nicht selten nur schwer beseitigen lässt. Gleichzeitig war es niemals leichter als heute, die befreiende Botschaft dieses Jesuswortes zu entdecken, denn eigentlich genügt ein langer Blick in den von der Esoterik dominierten religiösen Supermarkt unserer Zeit, um den scharfen Kontrast zwischen dessen Angeboten und dem Angebot Jesu zu erkennen. Die Götter von heute haben im Grunde alle nur eine einzige Botschaft: „Zieh dich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit, aktiviere deine inneren Kräfte und investiere dein Leben, um die Distanz zum Göttlichen zu verringern.„ Erlösung gibt es demnach nur, wenn Menschen sich nach den Göttern ausstrecken – und dafür kräftig zahlen. Wie bitte, das soll Erlösung sein?

Genau an dieser Stelle zeigt sich der eingangs erwähnte Kontrast, denn nur ein einziger Gott hat den umgekehrten Weg beschritten, indem er aus der göttlichen Welt als Mensch auf unsere Erde kam. Und bezahlt hat er auch aus eigener Tasche, mehr noch: mit seinem eigenen Leben. Weil er den schrecklichsten aller Tode starb, dürfen wir ewig leben. Kein anderer Gott hat jemals mehr für uns getan als er.

Seit mir das klar ist, lese ich unser heutiges Andachtswort immer wieder neu staunend und dankbar. Dass der Grundton dieser Dankbarkeit auch die „Melodie„ des heutigen Tages bestimmt, das wünsche ich dir und mir.

Friedhelm Klingeberg


© Advent-Verlag Lüneburg



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