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09/2020
 

Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

1. Mose 1,5


Im zurückliegenden Jahr hielt ich eine „Flaschensanduhrpredigt„: Eine mit Sand gefüllte Literflasche baumelte kopfüber an einem Gestell. Dabei fiel der feinkörnige Inhalt durch ein winziges Loch im Schraubverschluss in ein darunter stehendes Gefäß. Zu Beginn der Predigt versicherte ich den Besuchern, diese zu beenden, wenn die letzten Sandkörner aus Flasche verschwunden sein würden. Selten hatte ich so wache Zuhörer wie während dieser Predigt. Nur ich wusste, wie viele Minuten ich hatte – nämlich gut 24 –, um das zu sagen, was mir in dieser Predigt wichtig war. Für die Andacht heute bleibt mir viel weniger Raum, auch wenn sie von demselben Thema handelt: der Zeit.

Bereits auf der ersten Seite der Bibel erfahren wir, dass es zu Gottes ersten „Amtshandlungen„ gehörte, der Zeit eine Struktur zu geben. Die Zeiteinheit „Tag„ geht direkt auf Gott zurück. Sieben dieser Zeiteinheiten reihte er zu einer Woche aneinander. Sechs Tage davon sind der Arbeit vorbehalten, während der siebte wie eine liebevolle Zugabe erscheint, als Tag der Ruhe.

„Ich habe keine Zeit.„ Immer wieder hören wir diesen Satz. Viele Menschen sagen das gewiss nicht leichtfertig, sondern es ist ihre tägliche Erfahrung. Schon am Morgen wissen sie, dass nicht alles zu schaffen ist, was erledigt werden müsste. Man geht, fährt, fliegt und isst schneller. Dennoch scheint uns die Zeit ständig davonzulaufen.

Tage, Wochen, Monate und Jahre ergeben unsere Lebenszeit. Mit 20 denkt man: Bis 80 ist es noch eine Ewigkeit. Blickt der 80-Jährige dann zurück, erscheint die verstrichene Zeit, als hätte er sie im Expresszug zurückgelegt. Wir Alten werden ständig langsamer, doch die Zeit scheint sich weiter zu beschleunigen.

Wer über die Zeit nachdenkt, muss das Heute berücksichtigen und gestalten. Dazu gehört ein beständig kritischer Umgang damit, wie wir die Zeit ausfüllen. Wir verfügen über ein unterschiedliches Vermögen an Geld und Fähigkeiten, doch an Zeit steht jedem die gleiche Menge zur Verfügung. Eine alte Lebensweisheit lautet: Für das, was mir wichtig ist, finde ich Zeit. Die Kunst, richtig mit der Zeit umzugehen, liegt in der Bereitschaft, Wichtiges aus dem Programm zu streichen, um ausreichend Zeit für das Wichtigste zu haben.

Wilfried Krause


© Advent-Verlag Lüneburg


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