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21/2018
 

Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.

Römer 12,17-18

Die Lebensgeschichte von Alvin Straight bewegt mich. Zehn Jahre hatte er keinen Kontakt mehr zu seinem Bruder Lyle. Sie waren zerstritten und hatten jegliche Verbindung zueinander abgebrochen. Als Alvin eines Tages auf Umwegen erfuhr, dass sein Bruder einen Schlaganfall erlitten hatte, entschloss er sich, ihn zu besuchen, um endlich wieder Frieden herzustellen. Da er kein Auto mehr fahren konnte, beschloss er, den langen Weg von Iowa nach Wisconsin (es waren circa 500 km) auf einer Rasenmähmaschine zu bestreiten. Sechs Wochen war er unterwegs, bis er die alte Hütte seines Bruders erreichte. Als die beiden Brüder sich dann zum ersten Mal wieder begegneten, fielen sie sich nicht gleich in die Arme, sondern gingen langsam aufeinander zu. Aber die Tür ihrer Herzen war offen.

Als Beauftragter unserer Freikirche für den Bereich Vorsorge und Treuhanddienste hatte ich in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche darüber, wie man am besten für die letzte Phase des Lebens vorsorgen kann. Denn zu einem verantwortlichen Leben gehört ja auch das Bedenken des Todes. Der Gesetzgeber gibt uns die Möglichkeit, in einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht Maßnahmen festzulegen für den Fall, dass man nicht mehr in der Lage ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Zu einer guten Vorsorge gehört aber auch, sich zu fragen, ob man vor seinem Lebensende noch etwas klären möchte. Gibt es Personen, mit denen man nicht im Reinen ist?

Vergebung und Versöhnung sind ganz wichtige Themen der Bibel. Vergeben kann ich ganz alleine, während eine Versöhnung beide Seiten erfordert. Wir können einem anderen vergeben, ohne mit ihm versöhnt zu sein, aber es ist unmöglich, miteinander versöhnt zu sein, ohne einander wirklich vergeben zu haben. Der Bibeltext sagt: „Soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“

Die Rasenmäherfahrt von Alvin Straight bewegt mich, weil er sich aufmachte, ohne zu wissen, wie sein Bruder reagieren würde. Er war bereit zur Vergebung und zur Versöhnung. Mit Gottes Hilfe können auch wir vergeben und auf den anderen zugehen. Auch wenn es schwerfällt. Aber das ist die beste Vorsorge.

Günther Machel


© Advent-Verlag Lüneburg


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